"Gratifikationskrise" bei Autisten?
27.02.08, 17:57:14
55555
Kennt ihr sowas?
Zitat:
„Wenn zur Verausgabung bei der Arbeit noch fehlende Anerkennung hinzukommt, gerät der Mensch in eine sogenannte ‚Gratifikationskrise'“, erklärt Johannes Siegrist, Direktor am Institut für medizinische Soziologie in Düsseldorf.
Der Wissenschaftler konnte in zahlreichen Studien zeigen, dass eine solche Belohnungskrise sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen zur Folge haben kann. Zum Beispiel sei das Risiko, an einer Depression zu erkranken, innerhalb von fünf bis sechs Jahren nach einer Belohnungskrise doppelt so hoch wie zuvor. „Der Mensch möchte seiner Natur nach etwas zurückbekommen für seine Leistungen – das ist der Grundsatz der sozialen Reziprozität“, so der Professor.
Quelle
27.02.08, 18:17:18
Aldaris~Adun
Ja natürlich, es zieht sich durch mein ganzes Leben.
Das ist aber, denke ich, heutzutage normal und wohl eher die Regel.
Die Kunst ist, sich selbst völlig zu genügen und sich von äusserer Anerkennung vollkommen unabhängig zu machen... Freilich ein rel. unerreichbares Ziel...
27.02.08, 18:26:44
55555
Ich denke auch. Menschen, die irgendwie nicht passen sollten schon an sich mehr unter solchem Druck stehen, falls ihre Stärken nicht sehr geschätzt werden. Andererseits habe ich schon öfter gelesen, daß einige Autisten nicht gut merken, wenn sie ausgenutzt werden. Das müßte auch damit zusammenhängen, denke ich.
27.02.08, 19:32:00
Aldaris~Adun
Das stimmt wohl.
Letztlich muss doch ein gewisser 'will to please' dahinterstecken, der das Ausnützen überhaupt erst ermöglicht. Denn wenn man/Autist nicht irgendwie nach Anerkennung/Bestätigung suchen würde, hätte man ja keinen Grund, die Dinge zu tun, mit denen man dann ausgenutzt wird.
Zumindest bei mir war und ist es ganz extrem ausgeprägt so, das mir in mehreren Gebieten sehr deutlich und direkt bewusst war und ist, das ich ausgenutzt werde, ich das aber ebenso bewusst in Kauf nahm und nehme.
Als Kind lies ich mich von meinen sogenannten 'Freunden' aufs übelste ausnutzen und gleichzeitig noch mobben, ich dachte, das sei der Preis, den ich für 'Freundschaft' zahlen müsse.
Meine Lebensgefährten habe jahrelang vollkommen finanziell mit durchgefüttert UND noch den Haushalt gemacht und mich um alle Papiere etc. gekümmert. Das Gegenüber musste eigentlich gar nichts mehr tun und tat auch nichts. Ich tat all das im Bewusstsein, das es für mich die einzige Möglichkeit ist, eine längerfristige Beziehung haben zu können.
Heute verausgabe ich mich gelegentlich völlig bei der Arbeit, weit über das 'normale' und teilweise auch weit über das 'gesunde' hinaus. Ich tue das im Wissen, auch ausgenutzt zu werden, ich tue es, um mich möglichst unentbehrlich zu machen, um meine Platz zu sichern. Denn ich weiss, ich hätte es sehr schwer einen anderen zu finden.
Es bringt 'Dinge', die ich normalerweise nicht oder kaum haben könnte. Und es bringt mir Anerkennung, die ich ansonsten in keiner Weise bekommen würde.
Ich weiss, das das vermutlichst ein Knacks aus meiner Kindheit ist, denn ich bin mit der Tatsache aufgewachsen, das das, was mich interessierte, was ich tat und mitteilen wollte, 'unpassend' oder schlimmeres war.
Ich wäre gerne vollkommen unabhängig von äusserer Anerkennung, aber ich bins nicht. Das Belohnungssystem meines Gehirns hat sowieso einen (ADS-)- Knacks.
28.02.08, 04:52:31
drvaust
Bei mir ist das anders.
Mir ist es lästig, gelobt zu werden. Ich arbeite, weil es mir Spaß macht und interessiert, für Geld und Sachleistungen, um keinen Ärger zu bekommen, um mir etwas zu verdienen, oder aus Langeweile. Manchmal brauche ich eine sachliche Bestätigung, daß ich richtig arbeite, sonst werde ich unsicher, weil ich das schlecht empfinde. Aber Lob und Auszeichnungen sind mir lästig. Ich will in Ruhe ungestört arbeiten, aus gesellschaftlicher Anerkennung mache ich mir nichts.
Zu einem Chef hatte ich mal gesagt, nachdem er mich groß gelobt hatte, 'Lassen sie mich in Ruhe, ich arbeite auch weniger.' (der war sauer).
In meiner Schulzeit sollte ich mal eine Auszeichnung vor versammelter Schule bekommen, da bin ich abgehauen und habe auch danach die Annahme verweigert.
Ich wurde auch oft ausgenutzt, aber solange mir das nicht zu viel wird, ich nicht ungerecht behandelt werde und ich meine Ruhe habe, ist mir das egal.
Ich habe gelernt, daß Leute immer wieder mal gelobt werden müssen, aber dabei ist mir immer komisch. Dann habe ich Angst, daß das zurückkommt.
28.02.08, 12:01:01
55555
Vielleicht willst du zwar nicht gelobt werden, aber etwas anderes "zurückbekommen"? Andererseits bekommt man bei Erwerbstätigkeit ja bereits Geld zurück, insofern muß es da bei NA ja um etwas gehen, das darüber hinausgeht.
28.02.08, 15:47:52
Aldaris~Adun
Lob kann ich auch nur schwer ausstehen/annehmen. Ich habe in den vergangenen Jahren hart daran gearbeitet, es für mich und auch nach aussen hin kosntruktiv anzunehmen, denn es ist rein positiv gemein und dies sollte ich auch in meine Interna miteinbeziehen.
Ein Lob von jemandem, den ich respektiere kann ich mittlerweile gut annehmen und akzeptieren, allerdings nur 1:1.
Vor einer Gruppe wäre es mir wahnsinnig unangenehm, obwohl das ja Quatsch ist an sich.
Eines von jemandem, der 'neben' oder unter mir steht oder den ich anderweitig nicht respektiere, nehme ich negativ auf.
Ich bin vor ein paar Jahren zu der Erkenntnis gelangt das ich ohne äussere Bestätigung nicht dauerhaft motiviert bleiben kann, UND das ich Lob nicht annehmen konnte. Das war natürlich sehr ungünstig, es trieb mich auch in eine ziemlich ungesunde Situation.
Ich erwarte kein Lob, ich erwarte aber, das man mich respektiert und das, was ich tue, anerkennt. Wortlos, durch die Art wie man mit mir umgeht, die Aufgaben die man mir gibt, kleine Randkommentare, ganz egal.
In meinem Job ist das der Fall, so geht es mir darin gut, auch, weil ich es mittlerweile positiv aufnehmen kann.
29.02.08, 00:58:48
drvaust
Ich erwarte kein Lob, ich erwarte aber, das man mich respektiert und das, was ich tue, anerkennt. Wortlos, durch die Art wie man mit mir umgeht, die Aufgaben die man mir gibt, kleine Randkommentare, ganz egal.
Bei mir ist es ähnlich.
Lob ist für mich nicht peinlich o.ä.. Das ist einfach lästig, stört, erfordert eine Reaktion, ist eine emotionale Beziehung. Ich mache meine Arbeit und will dafür bezahlt werden, sonst will ich meine Ruhe haben, kein unsachliches Gelaber.
Außerdem ist ein Lob eine Bewertung. Ich kann es nicht leiden, wenn mich jemand bewertet, das verletzt mich, egal ob Lob oder Tadel.
29.02.08, 08:19:04
cony
Lob ist so eine Sache,zumindest von Fremden.
Aber ein Lob im Sinne der Anerkennung,zum Beispiel das man eine Arbeit besonders gut gemacht hat,oder gründlich,ist Ok.
Solange es nicht übertrieben wirkt.
29.02.08, 09:08:30
arlette
ein kompliment für meine arbeit ist dann für mich eine relevante information, wenn der lobende auch versteht, von was er spricht.
01.03.08, 02:59:44
drvaust
Ich vermute, ich habe Probleme mit Lob u.ä., weil das etwas persönliches ist.
Das geht mir zu nahe, das ist eine persönliche Beziehung. Ich vermeide persönliche Beziehungen zu Leuten, sehe Leute möglichst nicht als menschliche Personen, sondern als unpersönlichen Teil der Umwelt, wie Möbel, Maschinen, Romangestalten usw.. Mit Persönlichkeiten muß ich mich entsprechend beschäftigen und auseinandersetzen.
Außerdem stören mich nicht sachbezogene Bewertungen bei der Arbeit, das ist lästig.
Anders ist es mit sachlichen Informationen, ob ich Fehler mache oder alles stimmt, was ich besser machen könnte.
01.03.08, 09:42:39
55555
Wer lobt könnte eine Gegenleistung erwarten, daher ist Lob auch ein Signal von Gefahr.