@Miri
Mach doch mal deinen Bruder auf dieses Forum aufmerksam. Sag ihm, dass es hier Leute gibt, die so ticken wie er selbst - wenn er Probleme hat, wo er den Eindruck hat, dass ihn da keiner versteht. Oder dass er hier auch Leuten PM schreiben kann, wenn er nicht will, dass sein Zeug jeder mitlesen kann (z.B. du

).
Davon abgesehen, möchte auch ich dir ein paar Denkanstöße geben (womit ich dich nicht anmachen oder beleidigen will - Denkanstöße eben. Wenn die nichts für dich sind, verschwende keinen Gedanken dran):
- In deinen Postings wird mir nicht recht deutlich, wem du eigentlich helfen willst: Deiner Mutter (hat sie sich dir eigentlich drüber mitgeteilt, wie sie sich warum fühlt, oder vermutest du das nur?), deinem Bruder oder: Willst du auch ein Stück weit Hilfe für dich, weil sich deine Mutter anscheinend nur um deinen Bruder kümmert, so dass du dich vernachlässigt fühlst?
- Du schreibst, dass sich dein Bruder sich dir nicht öffnen und von dir helfen lassen will und er mitunter aggressiv auf deine diesbezüglichen Versuche reagiert.
Hast du mal drüber nachgedacht, ob es eine Rolle spielen könnte, dass er ein pubertierender Junge ist,
du aber eine
junge Frau und auch noch die
ältere Schwester bist? Zudem mögen kleine Geschwister es allgemein häufig nicht besonders, wenn ältere Geschwister ihnen zu sehr auf die Pelle rücken - erst recht nicht bei Geschlechtsunterschieden. Das hat allerdings nichts mit Autismus zu tun, dass es da zur Abgrenzung und Rückzug kommen kann.
Hast du mal versucht, ihm zu schreiben, und ihm darin deine Ansichten und Gefühle bezüglich eurer Situation, seiner und deiner Person mitzuteilen?
- Was mir in deinen Beiträgen auffällt, ist, dass du das "wir" der Familie - deine Mutter, dich und deinen Vater - deinem Bruder gegenüberstellst, so wie in
Zitat:
Es ist schwierig mit ihm umzugehen und ihm zu erklären dass wir ihm nur helfen wollen.
Was glaubtst du, wie er sich fühlt, wenn er aus diesem "wir" der Familie so ausgegrenzt wird? Und wie er sich fühlt, dass er möglicherweise direkt oder indirekt eben das, dass
Zitat:
wir ihm nur helfen wollen
anscheinend häufiger aufs Butterbrot geschmiert bekommt?
Es gibt da so einen Spruch: "Alle wollen nur meine Bestes - aber ich geb´s ihnen nicht."...
- Du schreibst an einer Stelle:
Zitat:
Wir wollen meinen Bruder in keinster Weise verändern, im Gegenteil wir sind froh dass er so ist wie er ist, aber der Autismus bringt eben auch seine Schattenseiten mit sich. Wir machen uns Sorgen, da er kaum selbstständig ist und es nicht einsieht etwas alleine zu machen.
Aber auf der anderen Seite machst du ziemlich deutlich, dass ihr, zumindest du, ihn ändern
wollt: Er soll selbstständiger sein, mehr Sachen allein machen, mehr Freunde haben und diese besuchen, mehr an die frische Luft gehen, besser essen ...
Was glaubtst du, wie sich dein Bruder fühlt, wenn ihr (und vielleicht auch andere) laufend mehr oder weniger "durch die Blume" zu verstehen gebt: Du bist falsch, solange du nicht funktioniertst, wie wir es für richtig halten?
- Hast du mal überlegt, ob zusätzlich die Art, wie du (und ggf. dein Vater) allgemein deinem Bruder begegnest und mit ihm redest eine Rolle spielen könnte, dass er so auf dich reagiert? Anders gefragt: Siehst du ihn als "Behinderten", den du gern haben
musst, weil er dein Bruder ist und er sozusagen "ja nichts für seine Behinderung kann" - oder als
Menschen, der halt so seine Eigenheiten hat so wie du deine Eigenheiten hast?
- Und falls du ihn als "Behinderten", halt als "Autisten" siehst: Woher hast du deine Info über diesen Persönlichkeitstyp? Von deinen Eltern, von Ärzten, aus Fachbüchern? Oder auch von Leuten, die dir dazu etwas aus der Innenperspektive sagen können?
Bist du dir sicher, dass du das, was du über autistische Besonderheiten
gelernt hast, dahingehend
, dass du nachvollziehen könntest, wie sich dein Bruder angesichts dessen fühlt, wie du, deine Familie, andere Dritte mit ihm umgehen und wie seine Umwelt auf ihn wirken könnte? Und beachtest du, dass das, was auf
manche Autisten
zutrifft, z.B. nicht notwendigerweise auf deinen Bruder oder nicht auf diese Weise?
- Wegen des Verhaltens deiner Mutter gegenüber deinem Bruder, ihrer Erschöpfungsanzeichen und der von dir wahrgenommenen Unselbständigkeit deines Bruders: Ohne deiner Mutter zu nahe treten zu wollen: Weißt du, was "Helfersyndrom" (hat 55555 schon angedeutet) ist?
Dabei besteht in so einer Konstellation die Gefahr, dass der Hilfeempfänger sozusagen mehr Hilfe bekommt als er
tatsächlich aktuell braucht. Dabei setzt der Helfer als Kritierium für seine Hilfe häufig nicht an, was der Hilfeempfänger
tatsächlich an Hilfe
benötigt, sondern was der nach
Dafürhalten des Helfers braucht. Indem der Helfer definiert, welche Hilfe nötig ist, hat er eine gewisse Herrschaft über den Hilfeempfänger, woraus er Befriedigung gewinnen kann.
Gleichzeitig lernt der Hilfeempfänger einerseits, dass er offensichtlich die Hilfe des (dieses) Helfenden braucht - mitunter über das tatsächlich Erforderliche hinaus - und ohne ihn kaum existieren kann. Im Zweifelsfall kommt der Hilfeempfänger dann nicht drauf, dass er
unter geeigneten Bedingungen durchaus in der Lage ist, allein Dinge hinzubekommen ("erlernte Hilflosigkeit") und dass er danach streben sollte. Das kann dann bis dahin gehen, dass der Helfende den Hilfeempfänger faktisch entmündigt und beansprucht für ihn sprechen zu können oder müssen - in der falschen Annahme, der Hilfeempfänger könne das nicht und er verstehe ihn besser als der sich selbst.
So konditionierte Hilfeempfänger können dann dem "Helfenden" (auf den er
scheinbar unabdingbar und auf diese Weise angewiesen ist) große Dankbarkeit und eine gewisse Anhänglichkeit entgegenbringen - ein weitere Befriedigung für den Helfer, die sein Selbstwertgefühl unterstützt und seinem Handeln Recht zu geben
scheint.
Da der Helfende dieses Helfen quasi als Lebensaufgabe ansieht,
braucht er den Hilfeempfänger und hält ihn darum unbewusst in einer Abhängigkeit, die verhindert, dass der Hilfeempänger tatsächlich selbstständig und für sich verantwortlich werden kann. Würde das nämlich geschehen, ginge dem Helfer seine Lebensaufgabe (und Existenzberechtigung) verloren. Andererseits kann dieses andauernde Helfen-wollen-Müssen zum Burnout des Helfers führen, der die Ursache aber nicht ausmachen kann. Es kann dann sein, dass Helfer als auch Hilfeempfänger ohne Hilfe von außen aus der Situation nicht mehr rauskommen können.
Ob das auf deine Mutter zutrifft, kann ich natürlich nicht einschätzen, aber vielleicht ist das mal ne Überlegung wert.
Ansonsten finde ich das, was schuschu über das Zusammenleben mit ihrem Sohnemann geschrieben hat, eine Überlegung wert.
Grüße, Saoirse
P.S: Falls sich nun wer angegriffen fühlt oder so, bitte PN, so dass wir das klären können.