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Die Gruppenidentität der Autisten

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15.08.08, 20:16:35

55555

In den letzten Tagen habe ich mir einige Gedanken gemacht zu diesem Thema. Meint ihr es gab vor der Einführung der traditionellen Krankheitsdiagnose soetwas wie eine Gruppenidentität von Autisten? Oder ist diese historische pathologisierende Diagnose ironischerweise die Grundlage für eine autistische Kultur als solche gewesen?

Homosexuelle Kultur gab es denke ich schon vor einer Pathologisierung. Aber eine Kultur der Linkshändigen?

Sicher haben sich Autisten schon immer auch getroffen und erfasst, daß sie sich erstaunlicherweise gut verstehen. Aber gab es vor der Pathologisierungsphase so eine Gruppenzuordnung? Was meint ihr?
15.08.08, 20:23:00

tabby

Was bedeutet Gruppenidentität?
15.08.08, 20:33:58

rüssel24

Es gibt keine Gruppenidentität unter Linkshändern...oder habe ich was verpasst? Ich bin Linkshänderin und weiß, dass das Leben auch nicht leicht ist...

Eine homosexuelle Kultur ist schon ins römische Reich zurückdatieren...

Aber bei Autismus weiß ich das nicht...
15.08.08, 21:11:37

Aldaris~Adun

Es kann vorher keine autistische Gruppenidentität gegeben haben, da ja niemand jemals genau definieren konnte, was er überhaupt ist.
Ohne eine Definition kann man sich keiner Gruppe zuordnen, und vor der Entstehung der Diagnose 'Autismus' hat es die ja nun nicht gegeben...

Ich weiss aber auch nicht, ob es die heute gibt... Vielleicht für manche...
Ich fühle mich keiner Gruppe zugehörig, das mag daran liegen, das ich das einfach ganz allgemein nicht kann.

Vielleicht geht es manch anderem Autisten ähnlich und das ist die Grundlage...
15.08.08, 21:18:35

55555

Eine Gruppenidentität ist hier erstmal das Gefühl von einzelnen Menschen einer "Gruppe" zuzugehören und dann davon ausgehend die Bildung einer Subkultur der Angehörigen einer solchen Gruppe, z.B. mit eigenen Wörtern, etc.

Man kann sich nur einer Gruppe zugehörig fühlen, wenn man die Definition zu einer solchen Gruppe kennt oder selbst eine für sich gefunden hat.

Vielleicht sind Gruppenidentitäten vor der Zeit der pathologisiernden Beschreibung als Autismus solche Gruppenannahmen, die große Überlappungen mit dem heutigen Autismusbegriff aufweisen? Z.B. die Kategorie "Beobachter" im Enneagramm (ein altes Charaktertypensystem ohne vordergründige Koppelung an astronomische Faktoren)?

Linkshänder habens ich vielleicht schon immer als solche erkannt, wenn sie nicht "ungepolt" wurden? Warum sollte nicht schon immer mal jemand auf sowas geachtet haben? Das wäre dann eher eine recht einfache Form der Gruppenidentität, mehr ein: da gibt es jemanden in meinem persönlichen Umfeld der in diesem (unwichtigen / wichtigen?) Detail ist wie ich.
15.08.08, 21:45:43

drvaust

Zitat von 55555:
Eine Gruppenidentität ist hier erstmal das Gefühl von einzelnen Menschen einer "Gruppe" zuzugehören und dann davon ausgehend die Bildung einer Subkultur der Angehörigen einer solchen Gruppe, z.B. mit eigenen Wörtern, etc.
In dem Sinne habe ich keine Gruppenidentität. Ich bin ich, nicht Teil einer Gruppe. Meine Individualität steht für mich über jeder Gruppenidentität.
Zitat von 55555:
Sicher haben sich Autisten schon immer auch getroffen und erfasst, daß sie sich erstaunlicherweise gut verstehen.
In dem Sinne habe ich eine Gruppenidentität.

Vermutlich gab es vor der Definition von Autismus keine Gruppenidentität von Autisten. Man begegnete sich höchstens, verstand sich gut und traf sich dann öfter. Das ist vielleicht wie bei Leuten mit absolutem Gehör, die haben teilweise eine Gruppenidentität als Musiker, Komponisten o.ä..
15.08.08, 21:54:14

rüssel24

Es werden immernoch sehr viele Linkshänder umerzogen. Bei mir ist es nicht so, weil meine Mutter sich dagegen gewehrt hatte.
Aber als Linkshänder ist man vielleicht in der ersten Sekunde anders, aber dann wie jeder andere.
Mir ist nicht wichtig, ob jemand anderes Linkshänder ist, weil es nichts ändern würde.
Die Mitschülerin die neben mir sitzt ist auch Linkshänderin und es ist angenehm neben ihr zu sitzen, weil wir uns beim Schreiben nicht in die quere kommen.
Es gibt auch diverse Linkshänderartikel, ich habe einige davon, aber das hat nichts mit Gruppenzugehörigkeit zu tun, sondern eher mit Erleichterung beim Schreiben, Schneiden, Dosen öffnen oder Anspitzen...
15.08.08, 22:11:04

Aldaris~Adun

geändert von: Aldaris~Adun - 15.08.08, 22:14:02

Aber auch sonst waren alle Begriffe, mit denen man Menschen mit stärkeren autistischen Zügen häufig beschreibt, negativ besetzt... Wer will sich denn so einer Gruppe zugehörig fühlen?

Stur, zurückgezogen, langweilig, Spassverderber, Blöd, seltsam, still, ruhig, introvertiert...

Also alles, mit dem man mich vor meiner AS- Erkenntnis 'charakterisiert' hat, war für mich vom Begriff her hart an der grenze zur Beleidigung...
'Autistisch' ist (für mich) ein neutrales Wort, mit dem ich mich gut bezeichnen kann, ein Gesamt- Oberbegriff... Alle die anderen waren nur Facetten, die von der Gesellschaft grundsätzlich negativ gedeutet werden.

Ich bin übrigens auch nicht u8merzogener Linkshänder... Und trotzdem habe ich keine 'Linkshändergruppenidentität'...
Wie auch, daszu sind Linkshänder viel zu selten, ich habe kaum eine Handvoll in meinem Leben (bewusst als solche) kennengelernt, und wenn ich es dann wusste, war es mir danach auch wieder egal und dem Gegenüber auch...

Autismus ist noch viel seltener, man fand sich in den Prä- Internetzeiten kaum 'einfach so'... Ich habe zumindest nie jemanden getroffen, der auch nur ansatzweise wie ich gewesen wäre bevor ich dann in Autismusforen die 'geballte Ladung' vorfand.
15.08.08, 22:14:03

tabby

Danke fuer die Erlæuterung :)
15.08.08, 22:20:37

rüssel24

Genauso geht es mir mit anderen Linkshändern auch...
16.08.08, 09:40:38

55555

Zitat von Aldaris~Adun:
Aber auch sonst waren alle Begriffe, mit denen man Menschen mit stärkeren autistischen Zügen häufig beschreibt, negativ besetzt... Wer will sich denn so einer Gruppe zugehörig fühlen?

Stur, zurückgezogen, langweilig, Spassverderber, Blöd, seltsam, still, ruhig, introvertiert...

Das hängt wohl von deiner Auswahl ab, oder? Man könnte genauso auch positiv besetzte Eigenschaften aufzählen: Genau, verlässlich (wobei man darüber auch streiten könnte), etc.
Zitat:
Ich bin übrigens auch nicht u8merzogener Linkshänder... Und trotzdem habe ich keine 'Linkshändergruppenidentität'...

Aber wenn du dich mit der Gruppe "Linkshänder" identifizierst hast du doch Vorstellungen von einer Gruppenidentität. Die muß nicht immer die Intesität der Identifikation wie mit einem Fanclub haben.
Zitat:
Autismus ist noch viel seltener, man fand sich in den Prä- Internetzeiten kaum 'einfach so'... Ich habe zumindest nie jemanden getroffen, der auch nur ansatzweise wie ich gewesen wäre bevor ich dann in Autismusforen die 'geballte Ladung' vorfand.

Richtig, das Internet bedeutete für viele kleine Gruppen andere Möglichkeiten zu einem Kontakt mit 3 Gruppenmitgliedern oder mehr. Für Autisten war das auch besonders wichtig, da die autistischen Eigenschaften sehr prägend sind auf das Leben.
16.08.08, 10:40:29

rüssel24

Zitat von 55555:
Aber wenn du dich mit der Gruppe "Linkshänder" identifizierst hast du doch Vorstellungen von einer Gruppenidentität. Die muß nicht immer die Intesität der Identifikation wie mit einem Fanclub haben.


Gegenfrage: Identifizierst du dich mit einer Gruppe der Rechtshänder?
Ich glaube, dass es in diesem Bereich bestimmt mehr Eltern gibt die sich überhaupt Gedanken dazu machen, nicht die Linkshänder selber. Ich habe mir darüber noch nie groß gedanken gemacht und vorallem nicht, ob es auch andere Linkshänder gibt, die sind mir relativ egal. Was können sie ändern, was könnte da der Austausch sein?
Das einzige was ich nutze sind wie gesagt wie Linkshänderartikel, die aber meine Ansicht nach eher eine Enthinderung meines Altages sind.
Aber es gibt tatsächlich auch Linkshänder die mit diesen Artikeln nicht zurechtkommen...ich kenne da einen...

Linkshänder haben auch in meinen Augen keine Grupenzugehörigkeit, und im übrigen sprechen mich immer nur Rechtshänder auf meine Linkshändigkeit an.
 
 
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